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Inhaltsverzeichnis Sven Allmers 2

MÄRZ IN MECHOW - EINE SVEN-ALLMERS-GESCHICHTE

Sven Allmers als Bergwächter

Sven Allmers löst den Fall

Nizza im Dezember von Ole Olsen vom SdS Hamburg

 

März in Mechow, eine Sven-Allmers-Geschichte

 März in Mechow, eine Sven-Allmers-Geschichte
(mit einem Zitat von Hopefighter, Bild von Hopefighter SdS Hamburg/ Die Figur des Hauptkommissar Schnitzler wurde von OleOlsen von der SdS Hamburg erfunden)
 
Es ist März, und Sven Allmers geht spazieren. Sven liebt Spaziergänge im Frühling. Einzelne Wolken ziehen allmählich weiter zu, bis es ganz bedeckt ist. Nur manchmal hellt es auf. Die Sonne kann sich kaum durchsetzen. Aber Sven mag auch das trübe Wetter. Das muss er wohl, denn der Niederschlag in Mechow ist hoch, auch während dem trockensten Monat. Das Klima in Mechow ist gemäßigt, aber warm. Es weht nun eine mäßige Brise, ein leichter Wind. Der Wind kommt aus Westen, und manchmal gibt es Böen aus Nord-West.
Sven Allmers ist der einzige Polizist von Mechow. Mechow ist ein Dorf in Schleswig Holstein mit viereinhalb Quadratkilometer Fläche und 110 Einwohnern. Die Adresse der Amtsverwaltung ist Ratzeburg, das heißt, der Vorgesetzte oder die Vorgesetzten von Sven Allmers sitzen in Ratzeburg. Sven Allmers wohnt seit seiner Kindheit in Mechow. Sein direkter Vorgesetzter heißt Hauptkommissar Schnitzler.
Hauptkommissar Schnitzler ist alt. Er hat sich um die Pension erkundigt, denn um von Anfang an, also mit Beginn des Pensionsanspruchs, das Pensionsleben genießen zu können, ist es wichtig, sich rechtzeitig um die Beantragung der Pension zu kümmern. Hintergrund ist, dass Leistungen der gesetzlichen Pensionsversicherung grundsätzlich nur auf Antrag gewährt werden. Aber will er schon mit seiner Polizeiarbeit aufhören?
Sven Allmers ist es mulmig, denn Hauptkommissar Schnitzler hat ihn immer selbständig arbeiten lassen. So ist Sven auch mit der Bevölkerung gut ausgekommen, denn Hauptkommissar Schnitzler hat ihn nicht gezwungen, etwas durchzusetzen, das er für sinnlos hielt. Wie würde sein Nachfolger sein?
Sven geht an den beiden Finnhäusern vorbei, die als Ferienhäuser vermietet werden. Sie sehen hübsch aus in der Landschaft. Das sind Nurdachhäuser, außer den Giebelseiten existiert sichtbar, oberhalb des Erdbodens nur das Dach. Es gibt also beim Nurdachhaus unter den Dachtraufen keine Seitenwände; das Dach reicht bis zum Erdboden herab. Sven freut sich auf neue Gesichter, die hier wohnen würden.
Er kommt dann auch beim Alpakahof vorbei; die Tiere sind trotz des trüben Wetters im Freien und warten auf die Sonne. Es ist ein riesiger unverputzter Ziegelbau, zweistöckig, mit großen Fenstern. Einer der Angestellten redet ihn an:
"Kommst du heute zum Kegelabend? Schließlich müssen wir deine Beförderung feiern."
Sven ist starr vor Staunen: "Welche Beförderung?"
"Na, man hat mir doch gesagt, der Bulle von Mechow wird der Nachfolger von Hauptkommissar Schnitzler. Du bist doch der Bulle von Mechow, oder? Sonst gibt es ja keinen."
"Ja, ja. Ich komm schon zum Kegelabend."
Sven geht weiter und zückt sein Handy: "Herr Hauptkommissar.....
Man hat mir hier beim Alpakahof  etwas Komisches gesagt ...."
"Ja, was denn?"
"Da war irgendetwas von Beförderung die Rede, und von Ihrer Rente."
"Pension. Mann. Pension. Ich bin Beamter, und Beamten bekommen Pension. Das hat mit der Allgemeinen Rentenversicherung in keinster Weise etwas zu tun. Beamte zahlen nicht in die Rentnenkasse ein. "
Sven Allmers schluckt. "Wie ist das mit .... Ich meine, wer kommt nach Ihnen?"
"Ja, Sie natürlich. Ich wüsste niemanden, der besser mit der Bevölkerung umgehen könnte.
Auf Wiedersehen."

Am Ende des Gesprächs schaut er ein bisschen verdattert. Er weiß nicht, ob ihm die Beförderung recht ist. Er würde nach Ratzeburg siedeln müssen. Ratzeburg ist nun gerade eine erträgliche Kleinstadt, aber – ohh – es ist nicht Mechow. Das geschichtliche Flair von Ratzeburg gefällt ihm, besonders hat es ihm der alte Wasserturm angetan, der früher das Gebiet mit Wasser versorgte. Das Bauwerk war von vornherein in seiner Doppelfunktion als Wasser- und Aussichtsturm geplant.
Aber um die Inselstadt Ratzeburg inmitten des Ratzeburger Sees zu genießen, muss er er nicht dort Hauptkommissar sein.
Der Kegelabend ist nett, obwohl es nur freundschaftlich zugeht. Mechows Kegelverein gehört zum übergeordneten Kegelverband, wobei auch verbissene Wettkämpfe durchgeführt werden. Aber dies hier ist ein gemütliches Beisammensein. Auf seinen Wunsch hin wird die ausstehende Beförderung nicht erwähnt.
Ein hübsches Mädchen nimmt teil. Sie trägt einen roten gebauschten Rock und eine dunkelgrüne Jacke, dazu eine hellrote Schürze und ein weiß-rotgepunktetes Schultertuch. Das Brustblatt, das vorn in die Jacke eingesteckt ist, ist mit aufwändiger Silberstickerei verziert. Es ist eine Bekleidung, die meistens bei Trachtenfesten getragen wird, und sie hat wohl angenommen, dass es für einen Kegelabend passend ist; Sven gefällt es.
Er träumt sich hinein, dass er sie zu den Lauenburgischen Seen mitnehmen würde. Seen und Flüsse, Moore und Feuchtwiesen, Wälder und Heidelandschaften prägen dort das Landschaftsbild, das zahlreichen seltenen Tieren eine Heimat bietet. Er selbst ist Naturpark-Ranger und könnte ihr die schönsten Stellen zeigen. Der größte ist der Ratzeburger See.
„Nimmst du ein Bier?“
Sie nickt.
„Wo wohnst du?“
Sven ist nicht so geschickt mit Mädchen, deshalb geht er es etwas rasant an. Aber sie nimmt es ihm nicht übel.
„Ich wohne in der ersten Finnhütte, habe da ein Zimmer, und ich bin Putzfrau  hier im Ort. Reichen diese Informationen?“ lachte sie.
„Für immer?“
„Ich hoffe schon.“
Sven grinst über das ganze Gesicht.
Am nächsten Morgen wird er um sechs munter, und er wartet mit Ungeduld auf halb acht, um Hauptkommissar Schnitzler mit Anstand anrufen zu können.
„Herr Hauptkommissar, könnten Sie nicht erst in einem Jahr in Rente gehen?“
„Aber ja! Ein weiser Mann sagte mir einst: Manchmal überbringt das Leben die besten Geschichten ab dem Punkt, an dem wir aufhören, die Zeit zu bekämpfen, sondern anfangen, sie zu genießen.“
Sven Allmers fragt interessiert: "Wer ist dieser weise Mann, wo sind Sie sich begegnet?"
"Sein Name ist Hopefighter, und wir sind uns vor einer langen Zeit begegnet, doch diese Geschichte ist eine andere."
Hauptkommissar Schnitzler weiß nicht, wie Recht er im Falle von Sven hat.

 

 


Sven Allmers als Bergwächter

 

Sven Allmers als Bergwächter

 

Sven Allmers, der Dorfpolizist aus Mechow, dem Dorf in Schleswig Holstein mit viereinhalb Quadratkilometer Fläche und 110 Einwohnern, befand sich wieder in dem Dorf in den Alpen auf Urlaub, dem Dorf, in dem er sich schon mit einigen Fällen beschäftigt hatte, so mit dem Mord an dem Industriellen, der das Dorfgrün zerstören wollte, oder der Familie, die wegen eines Waldes in Streit geriet, der geplentert werden sollte, wobei er das "Längseemandl" kennen lernte. Er hatte sich damals mit diesem angefreundet, einem örtlichen Original, und sich ihm angeschlossen. Der war inzwischen Bergwächter geworden.

Nun saß er im Gasthof des Ortes und wartete auf seinen Freund. Seine Augen schweiften. Es war ein kleiner Raum, nichtsdestotrotz fanden hier, bei entsprechender Umstellung der Tische Hochzeits- und Begräbnismahlzeiten statt.

Seinen Ruf rundum im Tal hatte das Gasthaus dank seiner Pizzen; aber auch für eine Pizzamahlzeit musste man sich anmelden. Getränke und eine kleine Nachmittagsjause bekam man immer.  An der Wand hingen Auszeichnungen des hiesigen Eisstockvereins und des Fußballklubs. Mit Wohlgefallen nahm Sven die Blätter des heimischen Wintergrün in den Väschen auf den Tischen wahr.

 Ein Schock Touristen kommt herein; Sven verteidigt tapfer den Sitz an seinem Tisch mit zwei Sesseln. Als ich, eine alte Frau von siebzig Jahren, auch meine Nachmitagsjause und mein Himbeerkracherl, ein Getränk, das ich sonst noch nirgends gefunden habe, hier nehmen will, schiebt er einen dritten Sessel an den Tisch. Wie der geneigte Leser weiß, bin auch ich mit Sven befreundet.

Die Touristen schütten büschelweise Schneerosen auf den Tisch. Ich springe auf und schreie sie an:

 "Weshalb nehmt ihr den Bienen das Futter weg und rottet unsere Blumen aus?"

 Sven zieht mich weg: "Verzeiht meiner alten Freundin die Ausdrucksweise. Aber die Schneerosen stehen unter Naturschutz."

 Ich schaue ihn erstaunt an. Das hatte ich nicht gewusst.

 Von den Touristen tönt es: "Du, Piefke, hast uns gar nichts zu sagen."

 Sven Allmers zeigt seinen Polizeiausweis her und verdeckt dabei mit dem Daumen die Nationalität. Sein Freund, das Längseemandl, der Bergwächter, ist inzwischen in der Tür erschienen und grinst, sagt aber nichts.

 "Kann ja keiner wissen, dass der Piefke Bergwächter ist", grunzt es von den Touristen.

 Sven sieht sie ernst an: "Geht ihr noch einmal in die Berge? Die Schneerosen sind seit Jahren unter Naturschutz; rührt sie nicht mehr an, sonst muss ich Maßnahmen ergreifen."

 

 

 

 

Sven Allmers löst den Fall

von Brigitte Prem

mit Unterstützung von Ole Olsen

von der SdS Hamburg

 

Sven Allmers löst den Fall

 

Letzthin hat mir mein Sohn Skype eingerichtet, und ich ergriff die Gelegenheit, mit meinem norddeutschen Bekannten Sven Allmers zu skypen. Er ist der einzige Polizist von Mechow. Mechow ist ein Dorf in Schleswig Holstein mit viereinhalb Quadratmeter Fläche und 110 Einwohnern. Die Adresse der Amtsverwaltung ist Ratzeburg, das heißt, der Vorgesetzte oder die Vorgesetzten von Sven Allmers sitzen in Ratzeburg. Sven Allmers wohnt seit seiner Kindheit in Mechow. Er ist seiner norddeutschen Heimat sehr verbunden. Er liebt den weiten Blick über das flache Land, Berge sind da eher störend für ihn. Ratzeburg gehört zum Herzugtum Lauenburg. Sven ist stolz, in einem echten Herzogtum zu leben, wo gibt es das noch in unserer Zeit? Noch ist es Herbst und dort ist die Natur so rau und fast immer windig.

Ich selbst lebe in den Bergen.

Ich weiß, dass Sven dienstagabends immer die Rosenheimcops anschaut, eine bekannte Krimi-Serie, also daheim war und beim Computer saß, und ich schlug ihm per E-Mail vor, dass wir wieder einmal Kontakt haben sollten.

"Die Rosenheimcops" – eine sonderbare Vorliebe für einen Polizisten; man sollte meinen, wenn jemand beruflich ein Polizist ist, hat er in der Freizeit genug davon.

Er hob ab: "Moin, altes Haus."

Er liebt es, mich an der Nase zu ziehen. Ich stieg aber nicht darauf ein.

"Was tust du gerade?"

"Ich esse Grünkohl mit Pinkel."

"Was?"

"Grünkohl mit Pinkel. Pinkel ist so etwas, was ihr Wurst nennt. - Und ich trinke ein Bier."

"Bier?"

"Die Teetied für den schwarzen Tee mit einem Schuss Milch in altem blauweißen Porzellan ist ja schon vorbei."

"Wie ist das Wetter bei euch?"

"Jetzt ist die Luft noch würziger und es regnet. Und du weißt, wenn es regnet, dann aber richtig. Nur, das stört hier keinen Einheimischen. Die Zugezogenen bleiben daheim, am 

Füurheerd. Wichtig für die Leute in so einem lüttje Dörp wie hier ist de Kneip, gern in Verbindung mit der freiwilligen Füurwehr, obwohl auch hier der Nachwuchs langsam fehlt."

Ich sah, dass er grinste. Wir hatten über all das schon diskutiert.

"Was gibt es Neues?" fragte ich.

"Nichts."

"Was heißt 'nichts'? Hast du einen interessanten Fall?"

"Nicht wirklich. Nur einen verzweifelten Vader, dem die Frau dat Kind entführt hat."

"Was du nicht sagst. Meistens ist es umgekehrt."

"Du siehst, nichts Besonderes. Das Kind ist irgendwo, jedenfalls bei der Mutter. Wir werden die beiden schon finden. So leicht geht niemand verloren. Aber jetzt lass mich. Du weißt, ... ."

"Ja, ich weiß. Die Rosenheimcops."

Das nächste Mal rief er an. Bei aller Ulkerei betrachtete er mich als eine von ihnen; schließlich hatte ich ihn auch schon gastfreundlich aufgenommen.

"Erinnerst du dich an die Kindsentführung?"

"Na, die Frau aus B., die mit ihrem kleinen Sohn aus der Wohnung des Vaters entfleucht ist."

"Entfleucht – du hast Ausdrücke! - Na ja, da ist ein zweites Kind und eine zweite Frau ..."

"Was?"

"Ich weiß es ja auch nicht, noch nicht. Die zweite Frau schreit hysterisch herum, sie hätte das nicht gewollt. Es ist nichts herauszubringen."

"Wie seid ihr auf die zweite Frau drauf gekommen?"

"Zufall. Da war dieser ehrenamtliche Jugendbetreuer."

"Ein ehrenamtlicher Jugendbetreuer?"

 "Ja, er sammelt Kinder um sich, die sich auf der Straße aufhalten. Die Pfarre stellt ihm einen Raum zur Verfügung. Und dann gibt er kostenlose Nachhilfe, und so."

 "Und so. Und was ist mit dem?"

 "Die Kinder kommen immer zu zweit. Und einmal holte die eine Frau sie ab, und dann wieder die andere. Und die Kinder sagten zu der jeweils anderen Frau Tante oder Mutter."

"Aha."

 "Und dann kam nur mehr einer und wurde nicht rechtzeitig abgeholt und weinte die ganze Zeit nach seinem Kusin. Das kam dem Mann komisch vor."

 "Und?"

 "Mehr weiß ich nicht."

 Ich sah, wie er seine geräucherte, grobkörnige Grützwurst mit Braunkohl aß und einen Kümmel dazu trank. Kümmel trinkt man ja eigentlich zum Fisch, aber ich sah das Etikett. Was ist mit dem Korn?

Sven meldete sich eine ganze Zeit nicht, und ich ärgerte mich. Da ließ er mich mit einer halben Geschichte hängen. Ich rief ihn per Telefon an. Irr teuer, aber was sollte ich machen?

"Was ist jetzt mit den zwei Kindern und den zwei Frauen?"

 "Welchen zwei Kindern und welchen zwei Frauen?"

 "Na, die Frau aus B., die ihr Kind dem Vater entführt hat."

 "Ach die! Der Fall ist längst gelöst."

 "Und wie?"

 "Die zwei Frauen sind Kusinen. Als der Vater einige Wochen nach B. fuhr und die Mutter und sein Kind allein ließ ..."

 "Welches?"

 "So warte doch! In B. wurde er von der Familie gezwungen, das zweite Mädchen mitzunehmen. Sie hatte sich irgendwie in Schwierigkeiten gebracht. Ein dauerhafter Aufenthalt bei uns ging aber nicht so einfach, und die Familie dachte irgendwie, wenn er sie schwängere ... was weiß ich!"

 "Was?"

 "Ich weiß es ja auch nicht. Jedenfalls kam er mit der schwangeren Frau, die er in B. geheiratet hatte, zurück. Zuerst ging es irgendwie gut. Die Frauen waren ja Kusinen. Aber dann begann die zweite Ansprüche zu stellen, und die erste nahm das Kind und ging davon."

 "Er hatte also zwei Frauen?"

 "Ich weiß nicht, mit welcher er verheiratet war."

 "Und wie ging das Ganze aus?"

 "Sie war im Frauenhaus. Und dieser Jugendleiter machte irgendetwas. Jedenfalls hat sie jetzt eine Wohnung, einen Kitaplatz und Arbeit."

 "Und der Vater?"

 "Der ist heilfroh, dass es so gut ausgegangen ist."

 Man sagt die Norddeutschen sind maulfaul. Und manche sagen, das stimmt nicht, wenn sie einen anerkennen und akzeptieren, dann können sie quatschen ohne Luft zu holen. Ich weiß nicht, was ich von Sven halten soll.

 Drei Wochen später skypte ich wieder mit ihm.

 "Du, der Jugendleiter ist verschwunden."

 "Ja, und?"

 "Der Vater will sich bei ihm bedanken."

 "Du bist Polizist."

 "Er war aus deiner Gegend. Kannst du nicht etwas tun?"

 "Wozu?"

 "Wenn sich jemand bedanken will..."

 "Wie ist sein Name?"

 Ich forschte nach seiner Adresse und besuchte ihn. Ich fand ihn mitten unter seinen Nichten und Neffen rund um einen Adventkranz. Er lud mich ein, mich dazu zu setzen. Nach einer Weile sprach ich ihn an.

 Er antwortete: "Lass ihm ausrichten, ich weiß seinen Dank zu schätzen. Sehen möchte ich die Leute nicht mehr."

 Er beugte sich zu mir und sagte leise: "Ein Problem unter vielen. Irgendwo muss ich einen Schlussstrich ziehen."

 

Nizza im Dezember von Ole Olsen vom SdS Hamburg

 

Nizza im Dezember von Ole Olsen

vom SdS Hamburg

 

Da sind Sie ja endlich. Ich stehe hier schon über eine halbe Stunde hinter der Gardine und warte auf Sie“, sagte Frau Schnitzler wütend. Aus ihren Mund und ihrer Nase kam weißer Atem.

 ‚Mensch, die dampft ja, wie ein alter Drachen‘, dachte Hotti über seine Nachbarin.

 „Bei diesen frostigen Temperaturen müssen Sie ja nicht so lange mit Ihren Hunden gehen.“

 Der Whippet in seinem warmen Wintermantel und der Saluki schauten Frau Schnitzler aufmerksam an. Aus den schwarzen Hundenasen stieg ebenfalls weißer Dampf auf.

 „Herr Hotti, ich muss Sie etwas fragen. Sie wissen, der Hauptkommissar Schnitzler wird bald pensioniert. Jetzt, zur Adventszeit, kommt unser Lieblingsenkel Moritz zu Besuch. Voriges Jahr waren wir auf den Christkindl Markt in Nürnberg, Augsburg soll auch einen schönen Weihnachtsmarkt haben, Berlin mehrere sogar, nur diese Stadt mag ich nicht. Zum Weihnachtsmarkt nach Flensburg fährt ja Moritz mit seinen Eltern. Sie als Weltreisender haben bestimmt eine famose Idee.“

 Hotti schaute zu den mit Raureif überzogenen Ästen und beobachtete die Meisen und Spatzen an seinem Vogelhäuschen.

 „Frau Schnitzler, kennen Sie den Weihnachtsmarkt in Nizza?“

 „Nizza kennen wir, da waren der Hauptkommissar und ich schon zwei Mal, aber nur im Frühling. Da soll es einen Weihnachtsmarkt geben?“

 „Oh, ja und was für einer, er heißt Marché de Noel. Traditionell fand er immer auf dem Place Massina statt. Dieses Jahr zum ersten Mal auf dem Jardin Albert 1.“

 „Was ist denn da so toll oder interessant?“

 „Der Moritz wird sich freuen, ganz Nizza ist ein einziges Lichtermeer. Auf dem Weihnachtsmarkt gibt es ein historisches Riesenrad, eine Schlittschuhbahn, bunte Stände mit Naschereien und den delikatesten Süßigkeiten, für die Erwachsenen gibt es Stände mit Kunsthandwerk und Champagner- und Austernbars.“

 „Aber Nizza ist doch so überlaufen, und wie ist das Wetter dort?“

 „Nein, im Dezember gehört die Stadt den Franzosen, natürlich gibt es auch Touristen. Die Hotels und Restaurants haben jetzt faire und gute Preise. Sie können fantastische Weihnachtsgeschenke einkaufen. Nicht nur im Kaufhaus Galerie Lafayette. Das Wetter ist ebenfalls ganz angenehm. Am Tage können Sie am Strand spazieren gehen, natürlich benötigen Sie eine Jacke. Ab 17.00 Uhr in der Dämmerung wird es richtig feierlich, da kommt eine Festtagsstimmung auf, die finden Sie so nicht in Deutschland.“

 „Also, das hört sich ja ganz gut an, fliegt da auch Easyjet hin?“

 „Alle bekannten Airlines fliegen nach Nizza. Ich weiß, der Hauptkommissar liebt gutes Essen und guten Wein. Gehen Sie am Abend in die Vieux Nice, die bekannte Altstadt, in den Seitengassen finden Sie authentische, provenzalische Restaurants. Ein Tipp, wenn nur eine kleine Speisekarte, immer nur auf Französisch, am Eingang hängt, wenn das Restaurant oder Bistro voll ist und hier nur französisch gesprochen wird, dann sind Sie richtig. Es wird ein Fest der Sinne.“

 „Hört sich ja immer besser an. Es wird langsam kälter, es liegt Schnee in der Luft, können Sie mir das bitte kurz auf einen Zettel schreiben, und ich werde den Hauptkommissar schon zu recht biegen. Ach, wissen Sie was, es gibt das Gerücht, dass sein Nachfolger dieser Dorfbulle, da von Ratzeburg, der Sven Allmers, werden soll. Gott bewahre. Jetzt muss ich aber rein.“

Sie entschwand und knallte ihre Haustür zu.

Hotti genoss die klare Luft und sagte;

Kommt Jungs, jetzt rein und ab zum Kamin.“

Der Wetterbericht kündigte leider wieder frühlingshafte Temperaturen für die nächsten Tage an.

 


Von Ole Olsen von Der SDS Hamburg: Feddersens Beerdigung


Feddersens Beerdigung  von Ole Olsen von der SdS Hamburg
Die Sonne wärmte frühlingshaft die Besucher des Ewigfrost Sachsenwald, den ehrwürdigen Friedhof in Ratzeburg. Hauptkommissar Alwin Schnitzler, in seiner braunen Lederjacke, stand etwas abseits an einem hundertjährigen Rhododendron und beobachtete die kleine Trauergemeinschaft.
Gerade wurde Feddersens Urne, der mit vollständigem Namen Eugen Feddersen Landgraf von Wenseritt geheißen hatte, in der alten Familiengruft versenkt. Der Hauptkommissar entdeckte neben einer Eibe Sven Allmers, seinen jungen, intelligenten Kollegen aus der Region.
Schnitzler grinste, seit wann trägt der denn diesen Trench coat, sah ja fast wie Columbo aus. Der träumt wohl schon von seiner Beförderung.
Dann bemerkt er seinen Nachbarn in einem schwarzen Mantel und mit schwarzem Hut, Herrn Marc Anton Horst Lessig, unter den Trauernden. Schnitzler dachte, schon interessant, dass sogar Hotti hier anzutreffen ist. Die anderen Herrschaften sind doch alles ehemalige Kollegen des Toten.
Als nach der Trauerzeremonie die Besucher langsam gesenkten Hauptes, manche eilig, andere im Gedanken und Erinnerungen versunken, mehr schleppend, den Friedhof verließen, gingen der Hauptkommissar von der einen Seite und Sven Allmers von der anderen Seite auf Hotti zu.
Der Hauptkommissar räuspert sich: „Guten Tag, Herr Lessig, hätten Sie kurz Zeit für uns. Darf ich vorstellen, mein Kollege Sven Allmers, von der Polizei aus Ratzeburg.“
Hotti erwidert überrascht: „Mensch, Schnitzler nicht so förmlich, was hat dich denn hierher verschlagen.“
Der Spürhund kratzte sich etwas verlegen hinterm Ohr:
„Wir ermitteln im Fall Feddersen, denn die Todesursache ist offen.“
Hotti holte tief Luft: „Dann durfte doch die Leiche gar nicht eingeäschert werden. Das ist ein Skandal!“
Allmers, derer Polizist aus Ratzeburg, räusperte sich: „Herr Lessig, dürfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen?“
„Gern, wenn ich Ihnen helfen kann, aber ich habe nicht viel Zeit, meine Windhunde warten auf mich, und ich habe gut zweihundert Kilometer noch zu fahren.“
Schnitzler wandte sich ihm zu: „In Ordnung Herr Lessig, lassen Sie uns einen kleinen Spaziergang unternehmen. Wie standen Sie zu Herrn Feddersen, denn der Tote hatte keine Familie und keine richtigen Freundschaften. Er war der typische einsame Wolf.“
„Er ist ein entfernter Onkel und meine Mutter bat mich als Angehöriger, heute dabei zu sein.“
Sven, der junge Ermittler, spitzte die Ohren: „Sehr interessant. Ich möchte Ihnen kurz schildern, was wir wissen und was dann vollkommen unnormal wurde. Da benötigen wir ihre Hilfe, falls es Ihnen möglich ist. Feddersen lebte ein ausgesprochen wohl geordnetes Leben. Er stand jeden Morgen um die gleiche Zeit auf, kommt um die gleiche Zeit in sein Büro, isst um die gleiche Zeit zu Mittag und geht um die gleiche Zeit schlafen ...“
Schnitzler übernimmt: „Am Donnerstag, den 8. April verlässt Feddersen sein Büro pünktlich um 17.30 Uhr. Wir haben Zeugen, den Pförtner. Jeden Tag die gleichen Sätze, so auch am 8. Der Pförtner sagte, Pünktlich wie immer, Herr Feddersen. Der antwortete, wie seit 25 Jahren: ‚Stimmt genau. Auf Wiedersehen.‘ Weiter wissen wir, dass Feddersen die üblichen Minuten an der Bushaltestelle wartete, dann stieg er in die Linie 60. Dabei sprach er, wie immer, mit dem Busfahrer ein paar Worte. Der Zeuge Willy Otremba, nämlich der Busfahrer, sagte aus: Herr Feddersen sagte wie immer: Schönen Abend heute. Ich antwortete: Soll morgen noch regnen. Er gab zurück: Dabei hatten wir doch in letzter Zeit eine ganze Menge Regen.
Dann setzte er sich auf seinem Stammplatz, las seine Zeitung und stieg aus.“
Schnitzler führte fort: „ Er ging die Goethestraße, dann die Nord-Alle entlang und bog ab in die Lindenstraße 22 zu seinem Haus. Es gab Zeugen, weiter wissen wir, er aß allein, räumte alles ordentlich auf und ging nach dem Fernsehabend pünktlich um 23.00 Uhr ins Bett.“
Hotti fragte nach: „Was hab ich damit zu tun?“
Dem Hauptkommissar stieg die Röte in den Kopf: „Wir wissen, dass Herr Feddersen um 23.50 Uhr mit seinem alten Daimler noch einmal wegfuhr. Er wurde geblitzt, daher die relativ exakte Uhrzeit. Man fand seine Leiche neben dem Wagen am Domsee. Darf ich Sie fragen, wie Sie uns erklären können, warum Herr Feddersen sein Testament am 5. April geändert hat und weshalb Sie dort testamentarisch erscheinen? Hatten Sie Ihre Weltreise nicht durch eine Erbschaft finanziert?“
Hotti kann nicht glauben, was er hört.
„Feddersen war mein leiblicher Vater, er ist als Student ein eifriger Samenspender gewesen. Meine Mutter lüftete das Geheimnis zu meinem achtzehnten Geburtstag. Ich habe Kontakt aufgenommen, er wünschte sich aber keine intensive Verbindung. Was auch ganz logisch ist, doch seit er wusste, dass er unheilbar an Krebs erkrankt war, wurde unser Verhältnis tiefer und ich kam seinen Wunsch nach und schickte ihm viele exotische Postkarten.“
Schnitzler Telefon schrillte. Er entfernte sich und brummte mehrmals unverständliche Worte. Kam dann zurück und sagte:
„Es war die Gerichtsmedizin, doch eindeutig Selbstmord, eine Zyankalikapsel im Gebiss, der Fall ist eingestellt. Gute Heimreise, Hotti, und nichts für ungut.“